Sebastian Wölke führt seit drei Jahren sein eigenes Beratungsunternehmen kunden/impulse in London und ist Advisor von POSpulse. Vorher war er vier Jahre lang als Bereichsverantwortlicher und Sortimentsmanager bei dm tätig. Wir haben mit Sebastian über die Zukunft des Einzelhandels und die wichtigsten Branchen-Trends gesprochen.
Wie sieht der Handel der Zukunft aus? Inwiefern werden digitale Konzepte unser Shoppingverhalten in den nächsten 3 Jahren verändern?
Die Digitalisierung wird sowohl Handel als auch Shoppingverhalten verändern, vor allem in Bereichen mit Mehrwert für den Kunden. Letztendlich soll diesem ein relevanter Service geboten werden. Zudem muss das eigene Produkt von Konkurrenzprodukten differenziert positioniert werden. Diese Abgrenzung fehlt vielen Händlern noch, sie wird in Zukunft aber immer wichtiger. Bei der Umsetzung muss der Einzelhändler nahe am Kunden sein. Hierbei können Tools wie beispielsweise Crowd Research helfen, die Kundenperspektive stärker wahrzunehmen und aus dieser Perspektive heraus das eigene Geschäft zu gestalten.
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf das Verhältnis zwischen Hersteller, Händler und Kunde aus?
Es wird zunehmend schnellere und intelligentere Lösungen geben, um die Ware vom Hersteller an den Endkunden zu bringen. Die meisten Hersteller wollen dabei stärker in den direkten Kontakt zum Kunden treten, ohne abhängig von einem Händler zu sein. Das eröffnet ihnen die Chance auf mehr eigene Wertschöpfung und eine größere Nähe zum Kunden. Für die meisten Hersteller wird der Weg aber auch zukünftig über einen Händler führen, auch wenn dieser bei bestimmen Kategorien dann häufiger aus dem E-Commerce kommt als aus dem stationären Bereich. Die Einzelhandelslandschaft insgesamt wird facettenreicher, was die Kanäle angeht.
Welche Konzepte haben deiner Meinung nach großes Potenzial? Wie können Einzelhändler und Hersteller in Zukunft weiterwachsen?
Der Weg in eine Filiale muss sich lohnen, dadurch dass die Shopper Produkte testen, erleben und entdecken können. Dieses Einkaufserlebnis vor Ort kann beispielsweise durch die Optimierung der Verkaufsfläche erreicht werden oder indem man innovative, digitale Services anbietet. Zudem sollten Hersteller den aktuellen Differenzierungsdrang im Sortiment von Einzelhändlern nutzen und exklusive Marken bzw. Sortiment anbieten. Um den letzten Meter zum Kunden optimal zu überbrücken, müssen Industrie und Handel stärker kooperieren. Auch hier ist eine Erhebung über eine Crowd hilfreich, um die Diskussionen zu versachlichen und den Status quo stärker aus Kundensicht zu bewerten.
Wenn du traditionellen Händlern und Markenartikeln einen Rat geben könntest, um sich zukünftig auf die Veränderungen einzustellen, welcher Rat wäre das?
Letztendlich müssen Unternehmen schneller auf Veränderungen der Kundenbedürfnisse oder auf technische Weiterentwicklungen reagieren als der Wettbewerb. Wichtiger als beste Technik ist also die agilste Organisation. Kleinere Mittelständler oder Startups haben dabei gegenüber hierarchischen Großkonzernen enorme Vorteile. Letztendlich muss im Unternehmen die beste Idee umgesetzt werden und nicht die vom Chef. Entscheidende Frage ist, ob eine Innovation das Unternehmen insgesamt stärkt oder nicht. Der eigene Online-Shop kann unprofitabel, aber trotzdem ein wichtiger Service für die Kunden, und damit im Gesamtkonzept sehr relevant sein. Außerdem gilt: Ein Unternehmen sollte sich immer lieber selbst kannibalisieren, bevor es ein Anderer tut.
Inwiefern können Unternehmen im Einzelhandel von Startup-Kooperationen profitieren?
Inhaltlich können Startup-Kooperationen den Einzelhändlern vor allem in Bezug auf die Themen Digitalisierung und Innovation weiterbringen. Einzelhändler sollten die Digitalisierung mit bisherigen Prozessen verbinden und sich außerdem von der Startup-Kultur inspirieren lassen. Denn das Tempo, mit dem in diesen jungen Unternehmen Veränderungen angestoßen werden, ist atemberaubend. Projekte werden dort oft mit überschaubareren Mitteln und einem sympathischen Pragmatismus umgesetzt. Mitarbeiter in einem Startup handeln meist stärker aus der Perspektive eines Unternehmers und weniger aus der eines Managers. Dinge werden mit der Gewissheit getestet, dass man auf Basis der Ergebnisse lernt und sich dann auch wieder anders entscheiden kann. So kann sich das Unternehmen schneller weiterentwickeln.
Sebastian, du bist Teil des POSpulse Advisory Board. Was hat dich persönlich motiviert, POSpulse zu unterstützen?
Das oben angesprochene Thema der ständigen Weiterentwicklung gilt ja nicht nur für Unternehmen, sondern für jeden von uns auch persönlich. Ich selbst hatte bis zu meinem Engagement bei POSpulse nur für Großunternehmen wie Miele, Unilever und dm-drogerie markt gearbeitet. In einem Startup wie POSpulse herrscht eine enorme Dynamik und ein anderer Geist als in Großunternehmen. Gleichzeitig gab es mit dem Thema POS-Analytics – also der Analyse der Aktivitäten am Point of Sale – zahlreiche Überschneidungen mit meinem bisherigen Werdegang, so dass ich diese Erfahrungen bei POSpulse sinnvoll einbringen konnte. Da auch die menschliche Komponente passte, war eine Zusammenarbeit am Ende nur logisch.
Bild: Sebastian Wölke